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Elternzeit

Männer in Elternzeit – wie der Trigema-Chef darüber denkt

Ich geb’s zu: Ich bin Fan. Von Wolfgang Grupp (80), dem Chef von Trigema, einem Textilhersteller mit Produktionsstandort in Deutschland und mit rund 1.200 Beschäftigten. Seine Idee von Unternehmertum begeistert mich. Seine Haltung zu (werdenden) Vätern, die Elternzeit nehmen wollen, nicht.

Wolfgang Grupp übernimmt Verantwortung. Er haftet als eingetragener Kaufmann für seine unternehmerischen Entscheidungen mit seinem Privatvermögen und betont immer wieder, wie wichtig es ist, seine Mitarbeiter*innen wertzuschätzen. Beeindruckend seine Youtube- und Fernsehauftritte, in denen er andere Unternehmer scharf kritisiert, die den Standort Deutschland abwerten und die für ihre Produktionen “das Glück in der Ferne” suchen, so Grupp.

Seine Firma Trigema hat durch seinen Einsatz viele Stürme überwunden – auch die Coronakrise. Weil er, wie er im Trigema-Podcast erzählt, Entscheidungen getroffen und diese immer wieder angepasst habe. Deswegen habe es in seinem Unternehmen auch nie Fehlentscheidungen gegeben.

Gestern Abend habe ich mir wieder einen Vortrag von Wolfgang Grupp im Netz angeschaut. Er plaudert regelmäßig über dieselben Themen. Ich höre ihm gerne zu. Er wirkt auf mich authentisch. Und ehrlich. Bei diesem Vortrag vom Mai 2022, den er für die Knarr Vertriebs GmbH hielt, hat er sich auch zu seiner Vorstellung von Familie geäußert. Seine Einstellung dazu war mir schon aus anderen Videos bekannt. Ich teile sie nicht unbedingt. Dieses Mal hat sich Wolfgang Grupp aber explizit zu (werdenden) Vätern geäußert – und wie er mit diesen in seinem Unternehmen umgeht.

Und da ist es mir kalt den Rücken runtergelaufen.

WIR MÜSSEN DIE WELT NORMAL LASSEN. DESHALB GIBT ES BEI UNS AUCH NICHT DIE MÄNNER-AUSZEIT, ODER WIE MAN DAS NENNT.

Wolfgang Grupp, Trigema-Chef, bei einem Vortrag bei der Knarr Vertriebs GmbH im Mai 2022

DAS KANN DANN NICHT NORMAL SEIN

Wenn einer seiner Mitarbeiter bei ihm einen Antrag auf Elternzeit stelle, so müsse er, also Grupp, die Begründung sehr genau hören, weil: „Das kann dann nicht normal sein.“

Ok, ich weiß, dass Wolfgang Grupp ein konservativer Mensch ist und ein in meinen Augen altmodisches Bild von Familie lebt – der Mann arbeitet, die Frau kümmert sich um die Kinder. Das dann noch einmal so eindeutig zu hören, kombiniert mit einem Vergleich zur Tierwelt, entsetzt mich dann doch. Was mir bei seinem Vortrag noch mal klar wird: Er ist sicher nicht der einzige Unternehmer, Arbeitgeber oder Vorgesetzte in Deutschland ist, der so denkt – und das auch so (vor)lebt.

Vielleicht hast du, der diesen Text hier gerade liest, auch einen Vorgesetzten, der ein solchen Familienbild favorisiert. Und der dir seines mehr oder weniger aufzwingen will. Weil er nicht möchte, dass Du eine Auszeit nimmst – aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht steckst du gerade in so einer Lage, willst Elternzeit nehmen und haderst mit Dir. Vielleicht, weil du den Konflikt scheust. Vielleicht auch des Geldes wegen. Ein Mann hat mir etwa über den Fragebogen im BALDPAPA-Newsletter geschrieben, dass er sich frage, ob er überhaupt eine Auszeit nehmen solle, auch wegen eines möglichen finanziellen Verlustes. Ja, den kann es geben, klar. Aber zur Elternzeit ist meine Haltung klar: Es lohnt sich auf jeden Fall – für meine Familie und für mich! Warum, darüber habe ich in einem anderen Blog-Beitrag geschrieben.

VOM SUPERMARKT-LEITER ZU DREI JAHREN ELTERNZEIT

Eine Pauschalantwort, was du für dich tun kannst, kann ich dir nicht geben. Ich kann dir aber verraten, wie ich das für mich gelöst habe:

Ich hatte bei meinen drei Elternzeiten etwas Glück. Ich war zu allen Zeitpunkten freiberuflich, konnte mir vieles einteilen und auch zu meinem (festen) Auftraggeber sagen, dass ich für sechs Monate woanders “beschäftigt” bin. Ja, ich hatte finanzielle Einbußen. Und ja, zwischendrin habe ich auch mal eine berufliche Kleinigkeit erledigt. Aber mir war wichtig, für meine Familie da zu sein. Auch, um von Anfang an eine Bindung zu meinen Kindern aufzubauen. Ich habe früh genug finanzielle Reserven aufgestockt und Elterngeld gab es obendrauf. Dazu gibt’s auch viele Anschaffungen, auf die man total verzichten kann, etwa brandneue Babykleidung, Spielzeug usw.

In meinem BALDPAPA-Podcast habe ich in Folge 3 mit Oliver gesprochen, der drei Jahre in Elternzeit gegangen ist. Vorher hatte der gelernte Drogist BWL studiert und einen Supermarkt geleitet. In der Folge sprechen wir auch über seine Familien-Finanzen.

Es ist nicht immer leicht, eine Entscheidung in Sachen Elternzeit zu treffen – aus finanziellen Gründen  oder wenn der Arbeitgeber sich quer stellt. Aber ist es nicht unmöglich, vor allem, wenn es dir wichtig ist und du deinen Weg als aktiver Vater gehen möchtest.

Fakt ist: Wenn dir von Anfang an Steine in den Weg gelegt werden, stolperst du später immer wieder über dieselben, etwa wenn’s um Überstünden, Dienstreisen oder ähnliches geht. Spätestens dann kannst du fragen: Ist das auf Dauer der richtige Arbeitgeber für dich?

Es gibt auch Lichtblicke: Viele große deutsche Unternehmen haben erkannt, wie wichtig es ist, (werdende) Väter zu unterstützen und bieten ihren Arbeitnehmern aus diesem Grund Benefits an. Ein Beispiel: SAP. SAP unterstützt Väter, weil das Unternehmen weiß, dass Väter, die gesehen und wertgeschätzt werden, das an den Betrieb zurückgeben. 2019 sagte SAP-Sprecher Daniel Reinhardt dem Tagesspiegel, dass die Zufriedenheit umso größer sei, “je flexibler die Mitarbeiter ihr Arbeitsleben gestalten können”. Und umso größer sei der Profit.

Warum ein erfolgreicher Unternehmer wie Wolfgang Grupp das bis heute nicht erkannt hat? Keine Ahnung! Vielleicht gehen seine beiden Kinder, Bonita und Wolfgang junior, die Trigema weiterführen sollen, etwas mehr mit der Zeit.

Gehst du in Elternzeit?

Ich freue mich auf deinen Kommentar, um zu erfahren, wie du damit umgehst – oder umgegangen bist. Falls du weitere Fragen, Wünsche oder Anregungen hast, schreib mir. Vielen Dank für dein Interesse am BALDPAPA-Blog.

Stand: 10. Oktober 2022
Bildquellen: Pixabay

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